INTERVIEW MIT TIM GRONERT – AUTOR VON "PORZELLAN DER KPM BERLIN 1918 -1988"

In seinem nach über zehnjähriger Forschungsarbeit soeben im Deutschen Kunstverlag erschienenen, dreibändigen Werk "Porzellan der KPM Berlin 1918–1988" widmet sich Autor Tim D. Gronert der modernen Berliner Porzellanproduktion in den siebzig Jahren zwischen 1918 und 1988 als die KPM offiziell „Staatliche Porzellan-Manufaktur Berlin“ hieß. Was ihn zu diesem Werk inspiriert hat, welche Erkenntnis er besonders spannend fand und vieles mehr, hat er uns in einem Interview verraten...

Was hat Sie zu Ihrem umfangreichen, dreibändigen Werk inspiriert?

Inspiration zur wissenschaftlichen Beschäftigung mit dem Thema „Die KPM im 20. Jahrhundert“ war zum einen die eigene Sammlung, die in den beiden Katalogbänden ausführlich vorgestellt wird. Die Liebe zum Berliner Porzellan der Moderne wurde mir von meinen Eltern quasi in die Wiege gelegt. Schon früh begann ich, die Sammlung weiter auszubauen, so dass es sich nun um die weltweit größte ihrer Art handelt. Darüber hinaus war es mir ein besonderes Anliegen, die Künstlerinnen und Künstler, die in den siebzig Jahren zwischen 1918 und 1988 für die Manufaktur entwarfen, aus dem Schatten der Vergangenheit zurück ins Licht der Öffentlichkeit zu holen.Ihre artistischen Besonderheiten und ihre, den Wirren des 20. Jahrhunderts geschuldet, oft holprigen Lebenswege verdienen eine eingehende Beschäftigung, die die Kunstgeschichtsschreibung zum Großteil bis jetzt noch nicht geleistet hatte.

 

Was fasziniert Sie an der KPM Berlin, ihrer Historie, ihren Künstlern und Werken?

Im Hinblick auf die Erzeugnisse der Königlichen Porzellan-Manufaktur Berlin fasziniert mich auch nach Jahren der eingehenden Beschäftigung immer wieder aufs Neue die schier endlose Vielfältigkeit der produzierten Kunst- und Gebrauchsporzellane. Dies gilt sowohl für die stets weiterentwickelte Modellgestaltung als auch die mannigfachen Dekorentwürfe.

 

Gibt es in Ihrer über zehnjährigen Forschungsarbeit zur KPM Berlin eine Erkenntnis, die Sie besonders spannend fanden?

Bei der Arbeit an meinem Buch habe ich zahllose Neuentdeckungen gemacht: sei es in Bezug auf die Urheberschaft einzelner Modelle oder Dekore oder in den Biografien der beteiligten Künstlerinnen und Künstlern. Das waren dann echte Aha-Effekte, wenn ich beispielsweise auf die Tatsache stieß, dass die in den 1920er Jahren für die KPM entwerfende Edith Alberti – über die bis dato wenig mehr als ihr Namen bekannt war – nach ihrer Heirat bis in die 1970er Jahre hinein in Berlin als Antiquitätenhändlerin wirkte und so auch meinem Vater bekannt war.

 

Haben Sie ein Lieblingsobjekt in Ihrer Porzellansammlung?

Mein Lieblingsobjekt ist immer das zuletzt erworbene, weil es da noch viel zu entdecken und beschreiben gibt.

 

Wie unterscheidet sich aus Ihrer Sicht die Berliner Porzellanmanufaktur in dem von Ihnen umrissenen Zeitraum von dem heutigen, privat geführten Unternehmen?

Die Berliner Porzellan-Manufaktur war bereits zu Zeiten der preußischen Könige und der deutschen Kaiser immer ein staatlicher Vorzeigebetrieb. Diese aufgrund von Tradition und Statut (Staatliche Porzellan-Manufaktur) gewollte und stolz angenommene Vorbildfunktion gegenüber der privaten Porzellanproduktion galt trotz diverser Schwierigkeiten auch in den Zwischenkriegsjahren und bis in die 1960er Jahre hinein, ehe es mit die künstlerischen Entwicklung stetig bergab ging. Der Wandel in Gesellschaft und Kultur ging einher mit der fast vollständigen Vernachlässigung des kulturellen Erbes der Manufaktur. Der Übergang in die Privatwirtschaft kann natürlich ganz neue artistische Freiheiten mit sich bringen, wenn auch das althergebrachte Erbe immer ein großer Teil der Firmenidentität bleiben muss.

 

Sie haben die Biografien der einzelnen Künstler im dritten Band ausführlich beschrieben. Gibt es unter ihnen eine Person, der Sie sich in besonderem Maße verbunden fühlen?

Im Laufe meiner langjährigen Recherchearbeit zu über achtzig Künstlerinnen und Künstlern sind mir einige besonders ans Herz gewachsen. Dies hat nicht immer nur mit dem artistischen Œuvre zu tun, oftmals ließen mich die biografischen Umstände besondere Sympathien für eine bestimmte Person entwickeln. Familiär bedingt gingen mir insbesondere die durch die Nazi-Barbarei ausgelösten schweren Schicksale besonders ans Herz, die von Existenzängsten durch Berufsverbot über lebensbedrohende Verfolgung und Exil bis zum Selbstmord aus Angst vor der bevorstehenden Vernichtung reichten.

 

Wenn Sie bestimmen könnten, welches Porzellanobjekt aus Ihrer Sammlung in der KPM-Berlin wieder neu aufgelegt werden sollte – wofür würden Sie sich entscheiden?

Meiner Meinung nach tut eine innovative Manufaktur gut daran, neue, zeittypische Produkte selbst zu entwickeln, im Bestfall in einer Synthese von Form und Dekor. Daher sehe ich zwar die Versuchung, sich für die heutige Produktion bei Gestaltern und Künstlern vergangener Epochen bedienen zu wollen, und in meinem Werk finden sich sicherlich zahlreiche Wiederentdeckungen, die auch im 21. Jahrhundert nichts von ihrer Faszination eingebüßt haben. Jedoch kann ich der KPM nur raten, nicht zu sehr in der Vergangenheit zu verweilen, sondern offen für äußere Einflüsse den Blick nach vorne zu richten und neue zeittypische Porzellane herauszugeben.